Schreiben für den Zirkus: eine Dramaturgie?
Barbara Métais-Chastanier
Der im Jahr 2012 publizierte Text "Écriture(s) du cirque: une dramaturgie?" der Dramaturgin, Autorin und Forscherin Barbara Métais-Chastanier bezieht sich auf die "Semaine de cirque", die im November 2011 an der Université de Montpellier in Frankreich stattfand.1 Mit diversen Diskussionsformaten, Vorträgen, Filmprojektionen und Aufführungen widmete sich die Woche voll und ganz dem Zirkus. Die Überlegungen von Barbara Métais-Chastanier gehen auf einen Tag im Rahmen dieser Zirkuswoche zurück, an dem sich verschiedene Teilnehmende aus Praxis und Theorie mit dem Schreiben im Bereich des zeitgenössischen Zirkus beschäftigten. Vor dem Hintergrund der geführten Gespräche und Diskussionen setzte sich die Autorin in ihrem Text vertieft mit Fragen der Dramaturgie im zeitgenössischen Zirkus auseinander. Dabei griff sie auch den oft gehörten Vorwurf auf, im Bereich der Zirkuskünste bestehe ein Mangel an Dramaturgie(n) – oder eben nur die berüchtigte Nummerndramaturgie, die auf der Steigerung von Virtuosität sowie dem Spiel mit dem Risiko beruht.
Im Winter des Jahres 2021 – also knapp zehn Jahre nach der Veröffentlichung des Textes – haben wir mit der Autorin gesprochen und sie nach ihren aktuellen Perspektiven und Gedanken zur Thematik sowie ihrer eigenen dramaturgischen Praxis gefragt. Ihre Antworten bereichern und aktualisieren den Text von 2012 und geben uns weitere Impulse sowie Fragen mit auf den Weg.
Mirjam Hildbrand Barbara, du arbeitest im Bereich des Zirkus als Dramaturgin mit der französischen Zirkuskompanie Baro d’Evel. Was heißt das genau? Würdest du uns ein paar Einblicke in deine praktische Arbeit geben?
Barbara Métais-Chastanier Um eine Vorstellung von meiner Arbeit zu bekommen, muss man zunächst wissen, dass die Stücke von Baro d’Evel aus lauter präzise ausgearbeiteten Ausrutschern bestehen. Dabei handelt es sich um mit Absicht provozierte, kontrollierte Zufälle, die mehrere Sprachen – die Sprachen des Tanzes, der Oper, des Zirkus, der Clownerie usw. – in einen Dialog treten lassen. Es sind Stücke mit Unvorhergesehenem und Überraschungen als Ergebnis einer sorgfältigen Vorarbeit, bestehend aus Schreibtätigkeit, Recherche und Hingabe. Aufgrund dieser Herangehensweise bietet sich das dramaturgische Schreiben eigentlich zu jedem Zeitpunkt des Prozesses an, mal in deutlich erkennbarer Form (Schreibarbeit am Konzeptionstisch, Recherchen zu einem konkreten Bestandteil des Stückes), mal in eher ungewöhnlichen Momenten, im Verborgenen.
Bei meiner Arbeit an den Stücken "Là" (2018) und "Falaise" (2019), die zwei Teile desselben Diptychons darstellen, habe ich bezüglich der Rolle und des Platzes der Dramaturgin die Erfahrung gemacht, dass ihre Präsenz sowohl ganz zu Beginn erforderlich ist, um gemeinsam die Konzeption des Stückes zu entwickeln, als auch in der Recherchephase in den Residenzen, um sich so gut wie möglich der Sprache der Körper und der Improvisation anzunähern. Aber als Dramaturgin bin ich auch nach der Premiere präsent, um die Färbung, die das Stück beim Spielen annimmt, wahrzunehmen und ihr Rechenschaft tragen zu können. Diese Präsenz bedeutet auch, nichts aus dem Blick zu verlieren.
Das „Schreiben“ im Sinne einer Konzeption von Licht, Bewegungsabläufen, Rhythmik der Materie, Szenografie und Gewichtung zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteur*innen bestimmt die Dramaturgie ebenso wie Texte und die klassischeren Strukturen von Konflikt, Steigerung, Wende- und Höhepunkte.
MH Diese Auffassung von Schreiben ist für uns von zentraler Bedeutung: Wir beschäftigen uns im Rahmen des Symposiums "Re-Writing Circus" in Köln im Mai 2021 damit und du sprichst auch in deinem Text darüber. Gemeint ist ein weiter Begriff des Schreibens, d.h. ein nicht-buchstabenzentriertes Schreiben und auch ein Schreiben jenseits linearer oder singulärer Erzählweisen.
BMC Im konkreten Fall von Baro d’Evel ist es so, dass die Stücke seit "Mazût" einer nicht-linearen Dramaturgie folgen, die nie versucht, Sinn gezielt zu untermauern, sondern ganz im Gegenteil dessen Kontraste, Tiefen und Verkehrungen herausarbeitet. Es geht also darum, die Frage nach dem Sinn, seiner Kohärenz und seiner Entwicklung zu stellen und zu verfolgen, ohne ihm dabei jedoch auch nur im Geringsten etwas von seiner Rätselhaftigkeit und Bedeutungsdichte zu nehmen. Man kann sagen, Dramaturgie bei Baro d’Evel ist die Kunst der bewussten Odyssee, des poetischen Sich-Mitreißen-Lassens, des Entgleitens – des Lapsus oder Zufalls als Vorbedingung des Schreibens wie auch als Kunst der Nachträglichkeit, als Pendeln zwischen Improvisation und Strukturierung.
Eine solche Dramaturgiearbeit setzt zudem voraus, sich von der anthropozentrischen Perspektive zu lösen, an die wir gewöhnt sind, und Platz zu schaffen für andere Sinne, andere Welten, andere „Sichtweisen und Lebensweisen“, wie Emanuele Coccia es formuliert hat.2 Ob für Gus, den Performer-Schildraben in "Là", die Performer-Taube Jean Mahmoud oder Txapacan, das Performer-Pferd in "Falaise", ob für die Akrobatin-Kontorsionistin Noémie Bouissou oder den Theater- und Filmschauspieler Oriol Pla – das Schreiben für nicht-menschliche wie für menschliche Akteur*innen impliziert stets, Einzigartigkeiten miteinander abzustimmen und aufeinander treffen zu lassen, ohne sie dabei zu verwässern oder zu verbiegen. Die szenische Handlung von "Falaise" und "Là" speist sich jeweils aus dieser Recherche einer Dramaturgie des Lebendigen, oder, genauer gesagt, des Belebten (Mensch und Nicht-Mensch) und des Leblosen (Erde, Ton, Gips, Heu usw.), und versucht, eine Welt zu erschaffen, die der unseren sowohl ähnlich als auch unähnlich ist.
MH In deinem Text weist du auch darauf hin, dass in Frankreich im Bereich des Zirkus nur selten jemand in einer Produktion unter der Bezeichnung Dramaturgin mitarbeitet – stattdessen wird eher vom „Regard extérieur“ oder „Outside eye“ gesprochen. Hat sich daran in den letzten zehn Jahren etwas geändert?
BMC Ich habe den Eindruck, dass der Beruf sich zunehmend durchsetzt, sowohl als Rollenzuweisung im Zirkus selbst, als auch im zirzensischen Ökosystem im weiteren Sinne. Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Rolle der Dramaturgin sowie dramaturgische Rechercheprozesse in anderen Disziplinen sowohl an Bedeutung gewonnen als auch an Klarheit verloren haben. Mir scheint, Akteur*innen aus dem Bereich des Zirkus nutzen inzwischen bereitwilliger die Bezeichnung für sich, ohne dass dabei das Label „Theater“ oder dessen Legitimationslogik mitschwingt. Davon zeugen auch die in Frankreich 2016 neu eingeführte berufsqualifizierende Ausbildung zur*/m* Zirkusdramaturg*in am Centre National des Arts du Cirque (CNAC), das wachsende Angebot an Dramaturgiekursen an den Zirkushochschulen sowie die Liste neuer Sachbücher und Forschungsarbeiten zum Thema Dramaturgie im und für den Zirkus.3
MH Und welche Bezeichnung verwendest du für deine Arbeit als Dramaturgin?
BMC Im Rahmen meiner Schreibtätigkeit für Baro d’Evel bevorzuge ich die Bezeichnung „Dramaturgische Mitarbeit“ (collaboration à la dramaturgie), denn die Dramaturgie eines Stückes ist – wie übrigens auch in anderen Disziplinen – nicht allein der Dramaturgin vorbehalten: Sie entsteht immer im Dialog, im sensiblen, reflektierten Hin und Her zwischen den verschiedenen Schöpfer*innen eines Stückes, durch gemeinsames Vertiefen, Ausprobieren und sukzessives Verändern.
MH In "Écriture(s) du cirque: une dramaturgie?" und auch in anderen Texten betonst du die Bedeutung einer spezifischen Zirkusdramaturgie, die nicht bloß ein Anhang der Tanz- oder Theaterdramaturgie ist. Was genau beinhaltet diese Spezifik für dich?
BMC Heute hüte ich mich vor Aussagen über eine vermeintliche Spezifik der Zirkusdramaturgie, denn durch meine Erfahrungen bin ich mir der vielen Nuancen, heterogenen Rechercheprozesse und manchmal auch Widersprüchlichkeiten bewusst, die das Feld in sich birgt. Vor knapp 15 Jahren schrieb ich mit befreundeten Kolleg*innen, die ebenfalls in diesem Bereich forschten, an einer Publikation mit dem Titel "De quoi la dramaturgie est-elle le nom?", in der wir die Erkenntnisse unterschiedlicher umfangreicher Forschungsarbeiten zur Rolle der Dramaturg*innen und ihren Aufgabenfeldern zusammentrugen. Ich hatte damals eine ziemlich klare Vorstellung von dramaturgischer Arbeit, von der Funktion der Dramaturgin und ihrer Einzigartigkeit in den unterschiedlichen Bereichen (Tanz, Theater, Oper usw.). Aber mir fehlte zum damaligen Zeitpunkt einfach die Erfahrung! Nachdem ich nun 15 Jahre lang für sehr unterschiedliche Projekte in den Bereichen Tanz, Zirkus und Theater sowie in Hybridformaten aller drei als Dramaturgin gearbeitet habe (als Dramaturgin im „klassischen“ Sinne wie auch als Autorin von Stücken4), fällt es mir immer schwerer zu beschreiben, worin die konkreten Funktionen und Aufgaben einer Dramaturgin bestehen und worin die Spezifik der verschiedenen dramaturgischen Ausdrucksweisen liegt. In meinem Text "Écriture(s) du cirque: une dramaturgie?" habe ich vor zehn Jahren recht klare Analysen, Überblicke und Einordnungen gewagt. Heute glaube ich, dass diese Herangehensweise der Einzigartigkeit von Praxiserfahrungen kaum gerecht werden kann. Das heißt aber keinesfalls, dass ich nicht mehr zu den Hypothesen und Analysen von damals stehe.
MH Das ist natürlich eine spannende Ergänzung zur heutigen Lektüre deines Textes! Und du sprichst damit auch das Verhältnis von Theorie und Praxis an, mit dem man als Dramaturgin ja immer zu tun hat.
BMC Ja, ich würde sagen, heute bevorzuge ich eher den Austausch von Erfahrungen und das gemeinsame Nachdenken über Fragestellungen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Arbeit in der Praxis Nuancen und eine Komplexität mit sich bringt, die zusammenfassende Synthesen erschweren. Wenn ich trotz alledem versuchen würde, zwei Aspekte meiner dramaturgischen Arbeit bei Baro d’Evel zu benennen, die etwas über den zeitgenössischen Zirkus und seine dramaturgische Besonderheit aussagen, dann wären es, erstens, das dezentrierte Erzählen, das die vielen Möglichkeiten eines Zusammenlebens von Mensch und Nicht-Mensch erfahrbar macht, sowie, zweitens, die Thematiken des Falls, des Zufalls und des Zusammenfalls bzw. -bruchs.
Die Sprache von Baro d’Evel ist zunächst eine kosmopoetische wie auch eine kosmopolitische. Die gegenseitigen Lernerfahrungen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteur*innen sind tief verbunden mit der Entwicklung einer dichten und traumähnlichen Sprache, die ihre eigene Grammatik, ihr eigenes Gebrabbel und ihre eigenen Rituale hat. Diese Ethik der Aufmerksamkeit, diese Poetik der Zerbrechlichkeit spiegelt sich beispielsweise darin wieder, die kaum wahrnehmbaren Bewegungsgeräusche der Tiere (das Tippeln von Gus’ Krähenfüßen, das Flügelschlagen der Tauben usw.) zu verstärken, ihnen Raum zu geben. Dabei geht es nicht allein darum, einem Tier Platz auf der Bühne einzuräumen, sondern darum, sich einer anderen Welt zu öffnen. Außerdem bedeutet es, sich die Zeit zu nehmen, um den eigenen Blick zu verändern – die gesellschaftliche Brille abzulegen, durch die wir für gewöhnlich bestimmte Tierarten betrachten: Tauben etwa gelten gemeinhin als Krankheitsüberträger, als invasive und banale Vogelart. In "Falaise" nehmen wir uns jedoch die Zeit, den Flug dieser Vögel, ihre Spannungsmomente, ihre Zartheit und ihre Schönheit zu betrachten.
In "Falaise" kollidieren auch die dem Zirkus inhärenten Motive des Zusammenbruchs, des Schwindelgefühls bzw. des Ungleichgewichts – als dramatische Kontrapunkte zu Attraktion und Virtuosität – mit der Zukunftskrise, die wir alle (und vor allem die Jüngeren unter uns) gerade erleben. Nicht ohne Grund stößt in Frankreich zurzeit die sogenannte Kollapsologie, eine Pseudo-Wissenschaft vom baldigen Zusammenbruch der westlichen Zivilisation, auf große Resonanz. Da der Zirkus von genau diesen Konzepten, also Fall, Unfall und Fragilität (vor allem von Körpern), geprägt ist, stehen ihm auch viele Wege offen, diesen Zusammenbruch (im Sinne der Kollapsologie) auf der Bühne zu hinterfragen. Und die daraus resultierenden Erzählungen gleich mit. In Falaise haben wir bewusst das (Wort-)Feld der Panik, Schockstarre und Angst verlassen, um nicht-lineare und nicht-vektorisierte Dramaturgien zu entwickeln, die sich von einer Sinngebung oder einem "Telos"5 lösen (wobei der Fortschritt hier Spiegel des zivilisatorischen Zusammenbruchs ist), um alternative, dezentrale Anthropologien zu erproben. Auf diese Weise können neue, sensible Lebenswelten erdacht und erschaffen werden. Und auch die Affekte, die mitunter mit unserem Wissen um die Zerstörung der Ökosysteme und der Artenvielfalt einhergehen, lassen sich so auf eine neue Weise bearbeiten. Die Erzählung, verstanden als einfühlsame Konstruktion alternativer Welten, wird dadurch zu einem potenziellen Gegenstand von Zirkusdramaturgien, und sie gibt dem zirzensischen Motiv des Fall(en)s eine neue kontextbezogene Bedeutung.
MH Im deutschsprachigen Raum befinden wir uns aktuell inmitten oder vielleicht auch noch am Anfang eines Legitimierungs- und Institutionalisierungsprozesses, was den zeitgenössischen Zirkus anbelangt. In deinem Text sprichst du auch über diesen Prozess, allerdings im französischen Kontext um 2010 herum. Du hast damals geschrieben, dass dieser Prozess Konsequenzen haben wird. Wie beurteilst du die Situation heute?
BMC Ich kenne den aktuellen deutschen Kontext und die komplexen Kräfteverhältnisse, die ihn strukturieren, leider nicht. Aber ich teile gerne ein paar allgemeine Gedanken und Fragen zur Rolle der Dramaturgie und der Dramaturg*innen mit dir. In Frankreich beobachte ich nämlich, dass sich dort, wo künstlerische Arbeit, Kulturinstitutionen und Wissenschaft aufeinandertreffen, eine echte Wende vollzieht: Die szenischen Künste arbeiten reflexiver, während die wissenschaftliche Praxis experimenteller wird. Beide Prozesse sind im Grunde zwei Seiten desselben Phänomens, nämlich einer Kapitalisierung der Kultursphäre. Die Zunahme von Research-Kreationen wie auch die Weiterentwicklung der Dramaturgie und damit verbunden der Rolle der Dramaturg*innen sind zugleich Symptom und Antriebsfeder dieser Dynamik. In Frankreich beobachte ich in diesem Zusammenhang weiterhin, dass auch die akademische Welt sowie der Kunst- und Kulturbereich immer stärker von Prekarität und Konkurrenzdenken betroffen sind. Da künstlerische Praktiken und wissenschaftliche Erkenntnisse zusehends zu Werkzeugen der Wertschöpfung werden, drängt sich mir die Frage auf, welche Rolle die Entwicklung der Dramaturgie innerhalb der „kulturellen Logik des Spätkapitalismus“ spielen kann.6
Es liegt mir fern, die dramaturgische Arbeit an sich unter Verdacht zu stellen (und noch viel weniger die Dramaturg*innen selbst, die oft genug unsichtbar gemacht werden und/oder nicht bzw. nur wenig von der Wertschöpfung profitieren, zu deren Entstehung sie doch entscheidend beitragen). Dennoch stelle ich mir die Frage, auf welche Weise und unter welchen Umständen heute Dramaturg*innen tätig sind. Bedarf es nicht kritischer Diagnosen und Fragen, um einen taktischen Nutzen aus diesem Tätigkeitsbereich ziehen zu können? Um dramaturgische Formen und Einflussbereiche in einem von Hyperkonkurrenz geprägten Umfeld bewusst als künstlerische und politische Werkzeuge der Deprogrammierung und kritischen Reprogrammierung einzusetzen? Sollten wir nicht noch viel stärker daran arbeiten, dass Dramaturgie das Gegenteil einer Ästhetisierung von Wissen darstellt – also vielmehr ein emanzipatorisches, performatives Werkzeug der Deinstitutionalisierung von Institutionen? Ist es in Anbetracht der Tatsache, dass die Bereiche Kunst, Kultur und Forschung mehr und mehr wie Unternehmen strukturiert sind, nicht dringend notwendig, Dramaturgie als heterotopische Praxis7 zu etablieren, die es ermöglicht, ein Ausnahmeregime inmitten immer ähnlicherer Kunst- und Lebensformen zu installieren? Ist es im Kontext einer zunehmenden Institutionalisierung marginalisierter Praktiken und dramaturgischen Know-hows nicht zudem nötig, politisches Bewusstsein für unsere Ansätze zu erzeugen, indem wir nach Anschlussmöglichkeiten an Gegenkulturen wie Selbstorganisation, Kooperation, Fürsorge, queere Erkenntnistheorien, dekoloniale Bewegungen, Open Source und Copyleft Ausschau halten?
MH Diese Fragen sollten wir uns natürlich auch im deutschsprachigen Raum stellen, und mir scheint es äußerst wichtig, sie nicht aus den Augen zu verlieren – gerade in der jetzigen Phase, in der wir an der Legitimierung des zeitgenössischen Zirkus arbeiten, die im Konkreten meist auch ein Sich-Einfügen in bestehende Strukturen bedeutet.
BMC Absolut, und ich glaube, es ist für Vertreter*innen aller Disziplinen wichtig, eine politisch-strategische Dramaturgiepraxis zu entwickeln. Eine rebellische Praxis, die sich nicht in den Dienst profitorientierter Produktionen stellt, sondern sich an der Entwicklung kollektiver und solidarischer Strukturen beteiligt. Eine Praxis, die es erlaubt, Körper und Ausdrucksformen zu entwickeln, die das binäre Denken (fragil/virtuos, männlich/weiblich, Träger*in/Flieger*in usw.) ebenso überwinden wie gängige Herrschaftskonzepte (die sowohl für unsere Beziehung zu Nicht-Menschen als auch für die Exotisierung des Anderen/Fremden konstitutiv sind). Eine Praxis, die unsere Beziehungen und unsere Verbundenheit stärkt, um dem Bereich der Commons und Undercommons, zu dem unsere Tätigkeit gehört, zu schützen und auszubauen.
MH Vielen Dank, Barbara, für deine Ausführungen. Kommen wir nun zu deinem Text, der im Nachgang zu einem Tag voller Gespräche und Beiträge zum Thema des Schreibens im zeitgenössischen Zirkus während der "Semaine de cirque" im November 2011 in Montpellier entstanden ist.
Übersetzung aus dem Französischen: Anna Ochs
Es folgt nun eine leicht gekürzte und überarbeitete Version des Textes "Écriture(s) du cirque: une dramaturgie" von Barbara Métais-Chastanier aus dem Jahr 2012.
Dieser lange Tag gab uns Gelegenheit, aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Großbaustelle der Dramaturgie des zeitgenössischen Zirkus zu blicken.8 Vorweg sei erwähnt, dass nach wie vor relativ wenige Publikationen zu diesem Thema existieren, während es in anderen Bereichen, beispielsweise im Tanz, inzwischen eine ganze Reihe von Artikeln, Abschlussarbeiten und Buchkapiteln gibt, die sich mit dramaturgischen Fragestellungen beschäftigen.9 In diesem Zusammenhang sei ebenfalls erwähnt (und dadurch erklärt sich auch die geringe Anzahl von Veröffentlichungen), dass der Beruf der Zirkusdramaturgin weiterhin ein Nischendasein fristet, auch wenn hier und da von einem „Blick von außen“ die Rede ist. Wir haben es also mit dem Paradoxon einer Dramaturgie ohne Dramaturg*innen zu tun. Dabei handelt es sich um ein Scheinproblem, das auf keinen Fall gelöst werden sollte: das einer Dramaturgie, die weit über die Identifikation mit einer Figur (der Dramaturgin) hinausgeht und sich stattdessen vielmehr als „Geisteshaltung“ sowie als „transversale Praxis“ versteht, wie der Theaterwissenschaftler Bernard Dort bereits 1986 schrieb.10 Wollen wir nicht versumpfen, so gilt es um jeden Preis zu versuchen, ebendiese Dramaturgie aus ihrem narrativen und textzentrierten Zwinger zu befreien. Denn erst dadurch entstünde die Möglichkeit, eine den Zirkuskünsten wirklich angemessene Dramaturgie zu erdenken: eine – in der Immanenz ihrer Ausführung – reichhaltige, tatsächliche, an den Fakten, Körpern und Geräten bewährte Dramaturgie, anstatt einer lediglich abgewandelten theatralen oder choreografischen Dramaturgie, die, nolens volens, an die Anforderungen des Zirkus angepasst wird.11
Im Gegensatz zu Bernard Dort versteht der Theaterregisseur Eugenio Barba Dramaturgie nicht als „Übergang vom Text zur Bühne“12, sondern als Anordnung von Handlung (dráma érgon), die Zusammenstellung einer Gesamtheit bedeutungstragender Elemente im Dienste einer bestimmten Form, die sowohl ein „Weben“, als auch eine „Umsetzung von Handlung“13 impliziert. Auch wenn dies eine viel zu breite Definition ist, die ich im Folgenden präzisieren werde, so ermöglicht sie uns doch, nach den unterschiedlichen Anordnungen und Prozessen der Zirkusdramaturgie Ausschau zu halten. Sich eine Dramaturgie jenseits rein theatraler oder textlicher Fixpunkte vorzustellen, bedeutet, wie der Kunsthistoriker José A. Sanchez betont, die Modalitäten der Anordnung und Kombination dreier Dinge auszuloten: „Das Theatrale (Stück/Publikum), die Handlung (die Akteurin und Zuschauerin individuell involviert) und das Drama (eine diskursiv erzeugte Handlung).“14
Die Entwicklung von Räumen und Zeiten für zirzensisches Schreiben und Zirkusdramaturgien zeugt von (und ist Teil) einer Legitimations- und Institutionalisierungsbewegung der Disziplin. Dazu zählen unter anderem die Etablierung einer eigenen Syntax (eine typische Dramaturgie und Schreibweise von Stücken) sowie die Erarbeitung eines spezifischen Repertoires (untrennbar verbunden mit dem Hinterlassen von Spuren, da es die Übertragung von Wissen und künstlerischem Erbe ermöglicht). Zahlreiche Bedingungen müssen erfüllt werden für jenen Anerkennungsprozess, in dem über Zuschreibungen der delikate Übergang von Technik zu Kunst stattfindet, vom Kunststück des Spiels zum Spiel mit Kunststücken. Es ist zugleich ein Statusübergang: von den „Kunst-Handwerker*innen“ (oder mitunter auch von den Sportler*innen) zu Künstler*innen und Autor*innen (letzteres kann nur sein, wer auch schreibt, weil das eine angeblich das andere bedingt).15 Dramaturgie, Schreibtätigkeit und Repertoire sind also die Eckpfeiler einer Legitimations- bzw. Institutionalisierungsstrategie des zeitgenössischen Zirkus, die es ihm ermöglichen, aus dem Reich der sogenannten niederen in jenes der hohen Künste – bestehend aus der heiligen Dreifaltigkeit von Theater, Tanz und Oper – aufzusteigen. Die mit diesem Anerkennungsprozess verbundenen Vorgänge haben freilich Konsequenzen, sowohl in ethischer als auch ökonomischer und ästhetischer Hinsicht. Sie erfordern Kompromisse oder zumindest Veränderungen und Anpassungen des Verhältnisses zur Randständigkeit, Exzentrik und Monstrosität von Zirkuspoetiken, die immer auch Lebenskünste sind.
Im Folgenden werde ich zunächst näher auf die Vorstellungen eingehen, die mit den Konzepten des Repertoires und des Schreibens verbunden sind bzw. werden. Denn nur über die drei Prinzipien (Schreiben, Repertoire, Dramaturgie), die den dramaturgischen Raum des zeitgenössischen Zirkus definieren, wird es möglich, die konkreten symbolischen und ästhetischen Prozesse zu verstehen, die die Dramaturgie des zeitgenössischen Zirkus ausmachen.
Das Repertoire – Spur und Aura
Der Zirkus war lange eine stumme und volkstümliche Kunstpraxis. Vielleicht liegt darin die heikle Problematik seiner fragilen, geheimen Wissensvorräte begründet, die sich mitunter der Idee eines Repertoires widersetzen.16 Heutzutage ist es jedoch schwierig, der Patrimonialisierung17 zu entkommen, die typisch ist für diese von Erinnerung und allen möglichen Formen der Wiederherstellung besessenen Zeit.18 Der Zirkus ist von dieser Entwicklung im gleichen Maße betroffen wir alle anderen Praktiken: So forderte Jérôme Thomas, Jongleur und Verantwortlicher für den Bereich der Zirkuskünste bei der Verwertungsgesellschaft der Autor*innen und Komponist*innen (SACD), im September 2011 die Bewahrung eines auch den Zirkus umfassenden künstlerischen Repertoires.19 Die Konservatorin Joëlle Garcia und der Zirkushistoriker Pascal Jacob stellten ihrerseits beide die Frage nach der Entwicklung des Zirkuserbes. Gegen solche Positionen, die man insofern als konservativ bezeichnen kann, als sie das Ziel der Pflege und der gleichzeitigen Belebung eines kulturellen Erbes verfolgen, gibt es vielerorts Widerstände.
Der Vortrag von Kati Wolf, in dem die Zirkusartistin und Choreologin versuchte darzulegen, dass die Benesh Movement Notation auch Zirkuskünstler*innen dienlich sein könnte, sorgte für eine Mischung aus Unverständnis und Neugier bei den Nachwuchs-Zirkusartist*innen. Diese Reaktion scheint mir symptomatisch zu sein für eine gewisse Angst, die das Schreiben (und andere Aufzeichnungsmöglichkeiten wie Videos, Fotos usw.) gemäß einer in der Zirkus-Szene weit verbreiteten und gewissermaßen sogar hegemonialen Vorstellung besitzt. In einer derart verkürzten Sichtweise bedeutet "Schreiben=Dramaturgie=Narration", während das Wesen des Gegenstandes "Aufführung" in seiner Vergänglichkeit bestehe. Dadurch wird "Bewahrung" etwas vorschnell mit einem Verrat des Kerngehalts des Performativen gleichgesetzt. Folgt man dieser Logik, so gibt man exakt das preis, was man eigentlich retten will – und zwar gleich in doppelter Hinsicht: einmal notgedrungen (durch die Annahme, etwas ohne Wesensveränderung aufrecht erhalten zu können, das ursprünglich gar kein Interesse an einer Aufrechterhaltung hatte), und ein weiteres Mal aus Dummheit (der Irrglaube, in der Spur einer Sache die unbeschädigte Sache selbst wiederzufinden). Es ist das Benjaminsche Dilemma der Spur und der Aura: „Die Spur ist Erscheinung einer Nähe, so fern das sein mag, was sie hinterließ. Die Aura ist Erscheinung einer Ferne, so nah das sein mag, was sie hervorruft. In der Spur werden wir der Sache habhaft; in der Aura bemächtigt sie sich unser.“20 Die Aura, das ist die Anmut des Hier und Jetzt (ein „sonderbares Gespinst aus Raum und Zeit“21), jenes Unentscheidbare, das uns umgibt und sodann wieder verloren geht. Genau daran mangelte es – unter dem Deckmantel einer trügerischen Vertrautheit – einem Werk, das von sich glaubte, komplett in der und durch die Spur fortbestehen zu können. Denn die Spur, dieses falsche Versprechen einer Beständigkeit, ist nichts als ein im Gewand des Vertrauten daherkommender Beweis dafür, dass wir nie zum Gleichen zurückkehren können.
Es wäre jedoch ein sehr armseliges Verständnis von „Archiv“ und würde zweifelsohne auch dem Denken Walter Benjamins nicht gerecht, sich mit einer bewertenden Lektüre dieser Überlegungen zufrieden zu geben (also zu schlussfolgern, die Aura sei wertvoller, weil die Spur unabänderlich an zweiter Stelle folge und dadurch lückenhaft sei). Stattdessen kann man sich auch zwischen den beiden Polen Spur und Aura hin- und herbewegen, auf diese Weise die strikte Dichotomie auflösen und den Raum für ein Denken jenseits der dialektischen Gegenüberstellung von Spur und Aura öffnen.22 Benjamin reduziert den Zusammenhang von Spur und Aura nicht lediglich auf ein spezifisches Verhältnis von An- und Abwesenheit, sondern integriert sie in ein Beziehungsdreieck: Denn als erstes vom Austausch der beiden betroffen ist das „Wir“, das sich zwischen der Spur und der Aura hin- und herbewegt. Auf diese Weise entsteht etwas Chiastisches, dessen Vokabular kein ontologisches (Anwesenheit und Abwesenheit) mehr ist, sondern ein topologisches (Entfernung und Nähe), und das weniger durch eine Art Essenz (das Konzept der Spur versus das Konzept der Aura) als durch eine Beziehung geprägt ist.
In anderen Worten und um zurückzukehren zum Dilemma des Schreibens und Bewahrens: Es gibt keinen Grund, Aufführung und Spur einander gegenüberzustellen – die erdrückende Evidenz des Hier und Jetzt auf der einen Seite und die entzauberte Kargheit der Überreste nach dem Ende der Aufführung auf der anderen. Beide geben Zeichen, beide fordern auf, wollen registriert, wiederholt, dargestellt und von der Gegenwart des Erlebnisses oder der (Wieder-)Erinnerung getrennt werden.
Die drei Zeiten des zirzensischen Schreibens
Doch das Repertoire ergibt sich nicht erst im Nachhinein durch Archivierung und Konservierung. Es ist schon vorher am Werk. Während sowohl bewahrendes als auch restituierendes Schreiben der Legitimation dienen (die Erstellung und Ausweisung eines Repertoires spielen eine entscheidende Rolle innerhalb des Anerkennungsprozesses), ermöglicht Schreiben im Voraus es, das Repertoire in Richtung einer potenziellen Neuorganisation zu öffnen und in Bewegung zu bringen. Dabei denke ich zwangsläufig an die Kompanie Archaos und ihr Stück In Vitro, das drei unterschiedliche Versionen hatte, weil das Anfangsszenario im Laufe der Zeit dreimal umgeschrieben und danach veröffentlicht wurde:
„Wenn wir ein Stück auf die Beine stellen, das schon einmal aufgeführt wurde, dann arbeiten wir lieber mit Elementen, die seine Inszenierung inspiriert haben, als mit einer Videotranskription des Werks, um nicht Gefahr zu laufen, es ungewollt zu imitieren. Zu diesem Zweck ist ein vorheriger Schreibprozess notwendig, egal mit welchen grafischen Mitteln. Wir haben uns also entschieden, das 1997 geschriebene Szenario von In Vitro für eine erste neue Version mit dem Titel In Vitro ou la légende des clones zu modifizieren, die wir 1999 aufgeführt haben. 2009 haben wir dann im Rahmen des europäisch-brasilianischen Projektes In Vitro 99-09 beschlossen, zwei weitere Versionen dieses Szenarios zu kreieren. Eine davon, In Vitro 99, wurde dem italienischen Regisseur Boris Vecchio anvertraut. Er hat ein Stück mit 22 Nachwuchsartist*innen der Zirkusschule von Rio de Janeiro daraus gemacht, in dem er das Bühnenbild und die Musik der Version von 1999 mit 13 Artist*innen verwendete. Wir selbst haben eine dritte Version mit dem Titel In Vitro 09 geschrieben, die völlig losgelöst von den vorherigen Versionen war.“23
Dieses besondere Fallbeispiel, wenn auch nicht „im Vorfeld jeglicher physischen und materiellen Recherche geschrieben“24, ist ein guter Ausgangspunkt, um näher auf die drei mit dem zeitgenössischen Zirkus verbundenen Zeiten des Schreibens einzugehen:
1) Zunächst ist da die Zeit der Vorarbeit, dramaturgisch im klassischen Sinne des Wortes. Diese Bedeutung besitzt nach wie vor Gültigkeit und bezeichnet Autor*innen von Theatertexten, jenen seltsamen Partituren – sowohl fertig als auch unvollendet und voller Leerstellen –, in denen die künftige Entwicklung des szenischen Geschehens festgeschrieben wird. Das Szenario von In Vitro ist eine Möglichkeit dafür. Es gibt aber noch freiere Formen, die weder eine derart explizite narrative Konstruktion noch irgendeine Publikation erfordern. Während des Runden Tisches im Rahmen des Zirkus-Tages kristallisierten sich sehr deutlich zwei Lager heraus: jenes, für das technische Fragen sowie das Erkunden der Geräte und Objekte Vorrang besitzen (Fragan Gehlker, Lolita Costet und Lennert Vanderbroek), sowie jenes, für das die Dramaturgie und das Schreiben den Ausgangspunkt der Recherchearbeit darstellen (Alice Allart und Alexander Weibel Weibel). Die Artistin Alice Allart beschrieb ihr Vorgehen folgendermaßen:
„Mein Ausgangspunkt ist die Literatur oder eine historische Figur. Ich mache Theorie-Recherchen mit analogen Notizen, um darauf aufbauend Informationen über die Körperlichkeit dieser Figur zu sammeln. Ich versuche nicht, ein bestimmtes Leben oder die damit verbundene Narration zu rekonstruieren, sondern das zentrale Gefühl bzw. die Figur hinter diesem Leben aufzuspüren. Das Ziel besteht nicht in einem Reenactment, sondern darin, eine bildliche oder symbolische Entsprechung dieser Figur zu finden. Die Recherche zu den Objekten erfolgt nach der Theorie-Recherche. Und um technische Aspekte kümmere ich mich erst ganz zum Schluss.“
Der Unterschied zwischen dem gedruckten Szenario von Archaos und den Recherche-Notizen von Alice Allart ist groß: In einem Fall eignet sich das Geschriebene zur Verbreitung – es kann von Dritten gelesen werden und besteht nicht als Spur, sondern eher als Möglichkeit fort.25 Im anderen Fall ist das Schreiben der Ort einer intimen Recherche, an dem Intuitionen und Ideen hinterlegt werden – die Initialzündung, von der nichts übrig bleibt als ein mehr oder weniger diskreter Verweis auf den Anfang. Doch in beiden Fällen ist das Schreiben den Körpern vorgelagert, es erweitert den Schaffensprozess, beeinflusst ihn von unten und öffnet ihn für andere Stoffe, Perspektiven und Figuren.
2) Es folgt die Zeit neben und hinter der Bühne. Das Schreiben während dieser Zeit ist dramaturgisch im Sinne von „Weben“ und einer „Umsetzung von Handlung“, wie oben unter Bezugnahme auf Eugenio Barba erläutert.26 In diesem Zusammenhang besitzt das Konzept des Schreibens beziehungsweise der Schreibweise(n) eine von seiner rein textuellen Verankerung gelöste Bedeutung, mit der die Organisation von Sinn und die sinnvolle Anordnung der unterschiedlichen Elemente eines Stückes (Körper, Geräte, Texte, Musik, Licht, Objekte, Szenografie usw.) bezeichnet werden. Diese Ausweitung des Schreibens in nicht vorrangig buchstabenzentrierte Räume ist nicht neutral. Wie der Autor und Regisseur Michel Simonot eindrücklich dargelegt hat, zeugt die gegenwärtige Vervielfältigung der Bedeutung von Schreibweisen von einer Bewertungsabsicht: „Ein bestimmtes Vorgehen wird als mehr oder weniger künstlerisch, mehr oder weniger erkennbar oder gar qualitativ wertvoll beurteilt“27 – je nachdem, ob wir darin (eine) bestimmte Schreibweise(n) erkennen können oder nicht. Simonot weist darauf hin, dass die Verwendung des Begriffs im Plural nicht neu ist. Doch ermögliche dieser Plural es heutzutage, bislang als minderwertig oder uninteressant angesehene Praktiken und Gattungen zu benennen (und folglich zu identifizieren und wertzuschätzen). Dadurch ändere sich zwar noch nichts an der Omnipräsenz theatraler und literarischer Bezüge (was von einer entsprechenden Unfähigkeit zeugt, ein positives Bild von Organisationsformen und Praktiken zu entwickeln, die speziell auf Körper und nicht-literarische Räume zugeschnitten sind). Allerdings ermögliche eine derartige Verwendung des Begriffs „Schreibweise(n)“ ein Komponieren28, eine immanente Sinnproduktion. Buchstabenzentriertes Schreiben hingegen verweist – eben weil es in Zeichenform gegossener Sinn ist – stets auf etwas anderes als sich selbst (so wie die figürliche Malerei sich immer auf eine Wirklichkeit bezieht, während abstrakte Malerei die Kraftlinien auf einer immanenten Ebene entfaltet). Geht es beim Schreiben also lediglich darum, mehr „Artikulationsstrenge und dramaturgische Kraft“29 aufzubringen, wie Marc Moreigne einmal in Bezug auf die Straßenkünste schrieb, oder um etwas anderes? Ich werde gleich auf diese Frage zurückkommen.
3) Die dritte Phase des Schreibens erfolgt selbstredend nach der Aufführung. Es ist die Zeit des Anfertigens von Notizen – ein Prozess, der das Hier und Jetzt der Aufführung überdauert. In einem Artikel aus dem Jahr 2006 stellt Guy Carrara von Archaos dem „Schreiben im Vorfeld“ ein „restituierendes Schreiben“ (Tagebuch, Skizzen, persönliche Notizen) gegenüber.30 Letzteres würde ich wiederum von einem konservierenden Schreiben unterscheiden, das – wie die unterschiedlichen Systeme der Tanznotation – darauf abzielt, die objektivsten oder zumindest die am ehesten auf zukünftige Aufführungen übertragbaren Elemente festzuhalten.31 Restituierendes und konservierendes Schreiben treffen sich, wenn man sie aus einer Repertoire-Perspektive betrachtet. Denn beide Schreibweisen bringen jene kostbare Materie hervor, die Auskunft darüber gibt, was war, und dadurch gleichsam die Möglichkeit eröffnet, die Vergangenheit erneut zu vergegenwärtigen, ein „Nie wieder“ zu einem „Vielleicht noch einmal“ zu transformieren, bereitzustehen für (Neu-)Interpretationen, sowohl im Rahmen von Neu- bzw. Wiederaufführungen als auch zu Recherchezwecken.
Umrisse einer Zirkusdramaturgie
Die zweite der oben skizzierten Schreibweisen habe ich als ein nicht-buchstabenzentriertes Schreiben bezeichnet, das sich in der Zeit und in Körpern ausdrückt. In ebendieser Schreibweise offenbart sich eine Dramaturgie. Über die Dramaturgie des zeitgenössischen Zirkus nachzudenken bedeutet nicht nur, sich auf die Suche nach den Eigenarten der Disziplin zu begeben, sondern auch, diese Dramaturgie überhaupt denken zu können. Sie darf nämlich nicht zu einer Brechstange werden, mit der es möglich wird, Stücke hervorzubringen, in denen es um Geschichten, Figuren oder schöne Formen geht. Denn wie die Theaterwissenschaftlerin Ariane Martinez schreibt: „Die Verwendung dieses Begriffs verfolgt weder das Ziel, den zeitgenössischen Zirkus zu annektieren, noch aus letzterem eine Unterkategorie des Theaters zu machen. Ganz im Gegenteil: Es geht darum, seine Spezifik sowohl gegenüber dem Theater, als auch gegenüber dem sogenannten traditionellen Zirkus herauszustellen und auf induktive Weise die ihn ausmachenden Charakteristika zu unterstreichen.“32
Um diese Zirkusdramaturgie zu verstehen und sie von innen statt von außen definieren zu können, ist es wichtig, die Kriterien ausfindig zu machen, anhand derer zirkusspezifische Zusammensetzungen und Anordnungen, Durch- und Übergänge erarbeitet werden. So wie das dramaturgische Schreiben unterschiedliche Zeiten besitzt, so ist auch die Dramaturgie des zeitgenössischen Zirkus vielschichtig. Auf diese manchmal komplementären, manchmal aber auch gegensätzlichen Facetten werde ich nun näher eingehen, indem ich anhand einer kleinen Typologie möglicher Dramaturgien den Mythos der Äquivalenz von Dramaturgie und Narration ein wenig entzaubere:
- Nummerndramaturgie: Versteht man Dramaturgie als das, was bei Aufführungen für die Konvergenz und Kohärenz der einzelnen Elemente und Zeichen sorgen soll, handelt es sich hierbei um eine Dramaturgie der Kohärenz (anstatt Kohäsion) bzw. um eine Molekular-Dramaturgie. Die Nummer ist die Grundeinheit der Zirkusaufführung, die Ursprungsform der Darstellung mittels einer Aneinanderreihung und Einbettung autonomer Elemente. Sie ermöglicht es zum einen, Aufmerksamkeit durch Unterbrechungen zu generieren. Zum anderen kann sie dem Publikum den Eindruck vermitteln, die ganze Palette unterschiedlicher Kunststücke dargeboten zu bekommen. Die durch den Nouveau Cirque eingeführten Veränderungen sind nicht spurlos an der Nummerndramaturgie vorbeigegangen. In Form von Spannungstiefs und -klammern nach bzw. zwischen bemerkenswerten oder virtuosen Einlagen bestehen sie jedoch fort – als die Aufführung begleitende Leerstellen, die von innen heraus auf die Lücken in der Komposition hinweisen. Es geht mir an dieser Stelle mitnichten darum, Kontinuität zu idealisieren und Diskontinuität aus der Dramaturgie zu verbannen (Brecht persönlich hat sich ja ausführlich genug mit den Themen Diskontinuität und Montage beschäftigt, um uns vor derartigen Kurzschlüssen zu bewahren). Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass diese Problematik eine Schwachstelle darstellt, wenn sie negiert oder einfach nicht bedacht wird. Nicht die Diskontinuität an sich ist eine dramaturgische Schwäche, sondern die Art, wie sie keinen Sinn ergibt und als Ergebnis einer eher unfreiwilligen denn geplanten Aufsplitterung in Erscheinung tritt.
- Virtuositätsdramaturgie: Diese Art der Dramaturgie wird gemeinhin mit einer bestimmten Form des traditionellen Zirkus verbunden und basiert auf einer graduellen Steigerung der Kunstfertigkeit. Diese Kunststück-Dramaturgie, die im Nouveau Cirque und im zeitgenössischen Zirkus zumeist hinterfragt oder komplett abgelehnt wird, basiert auf einer Anhäufung von Spannung und Aufmerksamkeit.33 Risiko und Unfallgefahr werden dabei ins Verhältnis zu erhofften Publikumseffekten gesetzt. Diese Dramaturgie stützt sich also voll und ganz auf die erwarteten Reaktionen der Zuschauer*innen und besteht aus einem Crescendo, in dem sich die Möglichkeit eines potenziell tödlichen Sturzes mit der Fragilität und den geradezu übermenschlichen Fähigkeiten der Artist*innen verbindet. Das Kunststück ist hier nicht nur ein Identifikationsmerkmal der Gattung, also ein disziplinärer Code, sondern es strukturiert zugleich den Aufbau des Stückes bzw. der Nummer. Kurzum: Es handelt sich dabei um eine Mini-Dramaturgie, da über den Hebel des Kunststückes Erwartungshaltungen gesteuert und Pausen zwischen spannungsreichen Phasen festgelegt werden.
- Dramaturgie der Materie: So könnte man Anordnungen beschreiben, die sich aus der Abfolge verschiedener Bewegungen ergeben, aber auch aus der Weise, wie die Technik und die Beschaffenheiten von Körpern mit den aus Geräten und Objekten resultierenden Möglichkeiten interferieren, sich ihnen entgegenstellen oder entziehen. Denn mit dem Aufkommen des Nouveau Cirque entstanden nicht nur monodisziplinäre Formate, auch die Geräte wurden weiterentwickelt. Das klassische Geräte–Arsenal wurde und wird zusehends abgelöst durch verblüffende Innovationen, die neue Techniken erfordern. Vorzeigecharakter besitzen in diesem Zusammenhang die seltsamen Objekte des Zirkusartisten Johann le Guillerm, die allesamt „als Geräte dienen sollen, also als Materialisierung eines den Menschen verkörpernden Denkens“.34 Weitere Beispiele sind die Jonglage-Objekte des Artisten Jérôme Thomas und die riesige „Kulissen-Bühne“ in Mathurin Bolzes Stück Du Goudron et Des Plumes (schwer zu sagen, wo in diesem Fall die Bühnengestaltung endet und das Gerät anfängt). Johann le Guillerm fasst den Grundimpuls dieses Umdenkens wie folgt zusammen: „Das Objekt oder die Materie bilden die Grundlage des Stückes, sie sind der Anfang des gesamten Prozesses, denn in meinem Objekt verwirklicht sich meine Idee. Und in der Verwirklichung dessen, was später mein Gerät sein wird, kann es passieren, dass die Ausgangsidee eine andere Richtung einschlägt oder gar von den tatsächlichen Möglichkeiten des Objektes durchkreuzt wird. Das Objekt engt die Nummer ein und kann sie sogar grundlegend verändern.“35 In anderen Worten: Das Gerät bestimmt hier eine sehr spezielle Dramaturgie, die auf der Ausschöpfung der vermuteten Potenziale einer Materie und der eventuell dafür notwendigen Öffnung zu anderen Räumen beruht. So berichtete etwa Alexander Weibel Weibel am besagten Runden Tisch, dass es beim Erkunden – eines Gebietes oder auch der Qualität einer Gegenwart, einer Emotion oder einer Figur – passieren könne, dass Fragen der Technik und der Virtuosität in den Hintergrund treten. Mathurin Bolze betonte seinerseits die Matrix-Funktion des „Kulissen-Gerätes“ in seinem Stück: „Die Dramaturgie des Stückes artikuliert sich durch die Szenografie, die eine Art Vehikel ist. Und in dieser Bewegung steckt die Dynamik unserer Beziehungen. Es handelt sich um eine stoffliche Dramaturgie, eine Geschichte, die durch die Erfahrung dieses Raumes und seiner Potenzialität gemeinsam geschrieben wird.“36 Das Gerät ist also kein einfaches Accessoire, an dem eine Technik ausgeführt wird, sondern jene Sache, mit der (und manchmal auch: ausgehend von der) Sinn entsteht. Es ist eine Kohärenzsuche im Rahmen der Möglichkeiten der Materie, die Art und Weise, wie sich die eigene Intention mit den „Anwandlungen und Aspirationen des widerborstigen Materials“37 in Einklang bringen lässt oder auch nicht.
- Fiktionsdramaturgie: Der Zirkushistoriker Pascal Jacob erinnerte während seines Vortrages im Rahmen der Semaine de Cirque daran, dass die Problematik der Narration einen zentralen Platz in der Geschichte des Zirkus einnimmt, da sie die Frage aufwarf, wie es möglich ist, einzelne Darbietungen sinnvoll miteinander zu verbinden. So wurde das Vorhandensein eines narrativen Fadens, egal wie winzig, frühzeitig als Möglichkeit betrachtet, sich einer noblen und anerkannten Gattung anzunähern: dem Theater. Die Entstehung von Zirkuspantomimen etwa war Jacob zufolge symptomatisch für eine Vorstellung von Theatralität, die sowohl der Begründung (durch eine durchgehende Narration) als auch der Legitimation dient (Formen und Codes des dramatischen Erzählens, die unmittelbarer mit dem als Hochkultur angesehenen Theater verbunden waren, dienten dem Zirkus zur Aufwertung). Die Folgen dieses Erbes sind bis heute sichtbar, unter anderem in der Aufweichung der Linearität von Narrationen, an deren Stelle theatrale Figuren getreten sind, das unstete und unsichere Aufflackern vermeintlicher oder tatsächlicher Rollen, diffuse Charakterskizzen, die sich ebenso an der Persönlichkeit der Darstellerin*innen inspirieren wie an fiktiven Welten. Ein Meilenstein in dieser Hinsicht ist Le Cri du caméléon aus dem Jahr 1995. Das Stück ist das in Aktform geschriebene Manifest einer neuen Dramaturgie (derjenigen des zeitgenössischen Zirkus), ein fiktionales Chaos ohne klare Konturen, in dem eine unübersichtliche und beängstigende Welt gezeichnet wird, in der die Kunststücke der Artist*innen gleichermaßen die Gestalt seltsamer Verhaltensweisen, bedrohlicher Ausrufe und ebenso formelhafter wie virtuoser Ticks annehmen. Der Geniestreich des für die Inszenierung verantwortlichen Choreografen Josef Nadj bestand darin, die Kosmogonie des Zirkus auf den Kopf zu stellen, indem er die Ausnahme (die Performance) zur Regel erklärte. Ausgehend von der Eigenartigkeit der Performance entfaltete Nadi konsequent ein Universum, in dem es keine Regeln gibt, weil die Abweichung von der Regel zum fiktiven Ausgangspunkt wird, von dem aus alles betrachtet wird. In dieser Logik bedeuten „Körper“, „Muskulatur“ und „Kohärenz" innerhalb eines Stückes weniger, die einzelnen Elemente – Choreografie, Jonglage, Akrobatik usw. – isoliert voneinander zu betrachten, sondern vielmehr als sich durchkreuzende Bestandteile und Zeichen einer fiktiven Welt, zu deren Entfaltung sie beitragen (und in der das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile). Flexibilität oder Beweglichkeit stehen hier nicht mehr für die Leistung eines mit der Ausführung einer besonderen Disziplin vertrauten Körpers, sondern einerseits für eine mehr oder weniger steife, elastische, überraschende oder ungeheuerliche Materie und andererseits für ein Verhalten, das den Regeln einer alternativen Logik folgt. In einer solchen Dramaturgie, die weit über die schlichte Anpassung an eine Narration hinausgeht, treten die Artistin*innen hinter das Werk zurück, um sich in einer sie übersteigenden Form zu vergessen und an einen Ort zu gelangen, an dem ein großes Ganzes sich um Sinn bemüht.
- Dramaturgie der kompositorischen Verflechtung: Diese Spielart der Dramaturgie wird im Verlauf eines Stückes erkennbar. Sie bestimmt das Gesamtkonzept der Inszenierung und verflicht die unterschiedlichen Elemente und Praktiken. Es handelt sich gewissermaßen um eine Makro-Dramaturgie, da sie die verschiedenen Phasen des dramaturgischen Schreibens, die ich oben beschrieben habe, sinnvoll zu einer eigenen Form verbindet. Angelehnt an die Erkenntnis der modernen Physik, dass Determinismus und Probabilismus keine Gegensätze darstellen, gilt es hierbei zu vermeiden, Dramaturgie als gewaltvolle Grundreinigung zur Herstellung von Ordnung oder zur Tilgung alles Unvorhergesehenen zu begreifen. Die verflechtende Dramaturgie ist kein Uhrwerk, und man sollte sich davor hüten, sie in erster Linie moralisch und nicht ästhetisch zu verstehen. Ganz im Gegenteil: Diese Dramaturgie bezeichnet eine Art und Weise, in einem von Diskrepanzen, Imperfektion und Unstimmigkeit geprägten Rahmen eine Ganzheit entstehen zu lassen. Die unterschiedlichen Elemente liegen dabei nicht wie Schichten übereinander, sondern sie durchdringen, verbiegen und verändern sich durch den permanenten wechselseitigen Kontakt. Die Unterschiede zwischen Zirkus und Physik mögen gewaltig wirken, aber die Ausführungen Robert B. Laughlins, Physikprofessor an der Stanford University und seit 1998 Träger des Physiknobelpreises für seine Arbeiten über den fraktionelle Quanten-Hall-Effekt, erscheinen mir sehr erhellend hinsichtlich der möglichen Zusammensetzung einer Ganzheit und ihrer unterschiedlichen hierarchischen Organisationsstufen. Um das Phänomen der Emergenz allgemeinverständlich zu beschreiben, stellte Laughlin in einem Interview folgende Analogie her: „Durch Monet empfinden wir Blumenfelder heute als perfekt. Gleichwohl haben die Farbtupfer auf seinen Bildern zufällige Formen; sie sind nicht perfekt. Diese Unvollkommenheit zeigt, dass die Gemälde im Kern aus ihrem Organisationsgrad bestehen: Wir sehen mehr als einfach nur Punkte. Was ich sagen will, ist, dass die Bilder aus der Gesamtheit der scheinbar ungeordneten Punkte hervorgehen, also emergieren.“38 Für die dramaturgische Verflechtung gilt das gleiche wie für Monets Gemälde: Die einzelnen Elemente werden nicht individuell betrachtet, sondern zusammen in ihrer Interaktion, die ihre Unterschiede verknüpft, multipliziert, verstärkt oder verändert. Dadurch werden ungekannte Sinndimensionen erschlossen, die sich zu einer neuartigen Form verbinden. Die Dramaturgie der kompositorischen Verflechtung bezeichnet somit eine spezifische Anordnungs- und Organisationsform jenseits des System-Konzeptes: Sie verweist sowohl auf die Entstehung von Sinn als auch auf die Konvergenz der einzelnen Teile und Zeichen. Der Trend hin zum Interdisziplinären, zu hybriden Formen, die Elemente aus Tanz, Theater und anderen Praxisformen (Objekt-, Marionetten-, Straßentheater usw.) entlehnen, ändert daran nichts: Die Dramaturgie der kompositorischen Verflechtung beschäftigt sich mit pluralen Formen der gegenständlichen Sinnproduktion, unabhängig von den konkreten Sprachen und Medien, die dabei auf der Bühne zum Einsatz kommen.39
Was folgt nun aus diesen Gedankengängen für die Ausgangsfrage nach der Dramaturgie des Zirkus? Zumindest ein paar Kriterien, um die spezifische Art und Weise zu definieren, wie eine Zirkusinszenierung ersponnen, verbunden und durch das Gewirr ihrer einzelnen Elemente – seien sie technisch, szenografisch, plastisch oder körperlich – verknüpft und entknotet wird. Das konkrete Ergebnis unterscheidet sich von Stück zu Stück durch eine Einzigartigkeit, die jedes Mal aufs Neue durch die Anordnung der unterschiedlichen Materialien hervorgebracht wird (so wie eine Salatsauce erst durch Vermischung der einzelnen Zutaten die richtige Konsistenz erhält). In Anlehnung an Gilles Deleuze und Felix Guattari, die zu Beginn ihrer Studie über „Das Glatte und das Gekerbte“ ein „Modell der Technologie“ beschreiben, ließe sich in diesem Zusammenhang einerseits von „Gewebe“- und andererseits von „Filz“-Stücken sprechen. Erstere bestehen aus starren oder beweglichen, miteinander verflochtenen Elementen, die „zumindest an einer Seite geschlossen“ sind.40 Letztere erfordern hingegen „keine einzelnen Fäden, die miteinander verwoben werden“, denn sie sind „nur eine Verschlingung von Fasern“41. Es gibt demzufolge also „gekerbte“ Stücke, organisiert durch das, „was das Festgelegte und Variable miteinander verflicht, was unterschiedliche Formen ordnet und einander folgen läßt“.42 Die Kohärenz solcher Stücke entsteht durch Sprünge, Brüche, Überraschungen und Wiederholungen. Auf der anderen Seite gibt es „glatte“ Stücke, die sich durch Berührung, Annäherung und sanfte Veränderung entwickeln und in denen das „verwickelte Material keineswegs homogen“ ist.43 Dabei geht es um die „kontinuierliche Variation, die kontinuierliche Entwicklung der Form und die Verschmelzung zugunsten einer Freisetzung von im eigentlichen Sinne rhythmischen Werten, die reine Linie einer Diagonale quer zur Vertikalen und Horizontalen.“44 Innerhalb eines Stückes kann es aber freilich stets auch Übergänge von einer Form zur anderen geben, ebenso wie Wechselspiele, Verwirrungen und Überlagerungen.
Die Dramaturgie des Zirkus besteht wie dargelegt aus zirkusspezifischen Elementen und aus Spuren eines Repertoires oder einer Geschichte (Geräte, kodifizierte Objekte, Virtuosität, Sequenzierung). Weiterhin gibt es Komponenten, die der Zirkus mit anderen Praktiken teilt – und sei es nur durch die immer häufiger anzutreffende Interdisziplinarität und Vermischung (mit dem Theater, dem Tanz usw.) oder durch die konkreten Bedingungen der Bühnenarbeit (Licht, Ton, Video-Projektion, Szenografie- und Kostümelemente usw.). In Zirkusaufführungen treffen somit disziplinäre Anforderungen auf allgemeinere, eigene Prinzipien auf entlehnte. Was sich von Disziplin zu Disziplin unterscheidet, ist das jeweilige Gravitationszentrum – im Falle des Zirkus ist es die Materie. Diese kann leblos oder lebendig sein, Gerät oder Körper, Komplizin oder Widersacherin. Für die Zirkusdramaturgie gilt also, mit Henri Michaux gesprochen, das gleiche wie für die Musik: „Diese Montage gilt es nicht zu sehen, nicht zu erfassen und nicht vorzustellen. Sie will durchlaufen werden.“45
Übersetzung aus dem Französischen: Richard Siegert
Endnoten:
(1) „Écriture(s)“ kann sowohl mit „Schrift(en)“ bzw. „Schreibweise(n)“ als auch mit dem „Schreiben“ übersetzt werden. Die Semaine de cirque fand vom 17. bis zum 27. November 2011 statt und wurde auf den Impuls von Philippe Goudard hin von der Université Montpellier III Paul Valéry (Centre de recherche RIRRA 21 – EA 4209 und Département Arts du spectacle) in Kollaboration mit der Région Languedoc-Roussillon und der Unterstützung der S.A.C.D organisiert.
(2) Siehe Coccia, Emanuele (2016): La vie des plantes: Une métaphysique du mélange, Paris: Payot et Rivages.
(3) Zu nennen ist zum Beispiel die Publikation Contours et détours des dramaturgies circassiennes, herausgegeben vom CNAC und der ICiMa unter der Leitung von Diane Moquet, Karine Saroh und Cyril Thomas (2020), Marion Guyez’ Doktorarbeit zur Dramaturgie der Akrobatik von 2017 oder die performative Konferenz von Martin Cerf zum Thema „Dramaturgie des zeitgenössischen Zirkus“ in Toulouse in demselben Jahr.
(4) Zum Verständnis: Der Begriff Dramaturg*in hat im Französischen zwei Bedeutungen. Zum einen bezeichnet er wie im Deutschen einen Beruf mit vielfältigen Aufgaben im Theater- oder Opernbereich, zum anderen wird im Französischen auch der*die Verfasser*in von Theaterstücken als Dramaturg*in bezeichnet.
(5) Die deutschen Bedeutungen für den griechischen Begriff sind Ziel und (End)zweck. Telos steht für einen in der Zukunft angestrebten, idealen Zustand, der durch entsprechendes, ganz auf dieses Ziel ausgerichtetes Verhalten erreicht werden soll.
(6) Siehe Jameson, Frederic (1991), Postmodernism, or, the Cultural Logic of Late Capitalism, Durham, North Carolina: Duke University Press.
(7) Heterotopisch beutetet laut Duden „einen Ort bildend, der die Realisierung einer Utopie darstellt“. Heterotopie wird im deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag wie folgt definiert: „Heterotopie (aus gr. hetero (anders) und topos (Ort)) ist ein von Michel Foucault in einer frühen Phase (1967) seiner Philosophie kurzzeitig verwendeter Begriff für Räume bzw. Orte und ihre ordnungssystematische Bedeutung, die die zu einer Zeit vorgegebenen Normen nur zum Teil oder nicht vollständig umgesetzt haben, oder die nach eigenen Regeln funktionieren. Foucault nimmt an, dass es Räume gibt, die in besonderer Weise gesellschaftliche Verhältnisse reflektieren, indem sie sie repräsentieren, negieren oder umkehren.“
(8) Auf der Basis von früheren Gesprächen mit Mathurin Bolze von der Cie MPTA sowie mit Camille Boitel und Jérôme Thomas waren zuvor bereits folgende Texte rund um die Thematik der Dramaturgie im zeitgenössischen Zirkus auf der Plattform Agôn publiziert worden: Bolze, Marthurin (2010): Rencontre avec Mathurin Bolze. Im Gespräch mit Aurélie Coulon et al. In: Agôn, Enquêtes, Cirque et dramaturgie. URL: https://journals.openedition.org/agon/1220; Boitel, Camille (2009): Un partage de déséquilibres. Im Gespräch mit Alice Carré und Barbara Métais-Castanier. In: Agôn, Nr. 2. URL: https://journals.openedition.org/agon/1190; Dies. (2011): L’inspiration de la matière. Im Gespräch mit Aurélie Coulon. In: Agôn, Nr. 4. URL: http://journals.openedition.org/agon/2076,; Thomas, Jérôme (2011): S’occuper à pratiquer les objets: Les objets du jongleur. Im Gespräch mit Émilie Charlet und Aurélie Coulon. In: Agôn, Nr. 4. URL: http://journals.openedition.org/agon/2070.
(9) Zu den wenigen Publikationen, die sich (Stand 2012) mit dem zirzensichen Schreiben bzw. mit dem Thema Zirkusdramaturgie befassen, zählen das Kapitel Nouveaux récits, nouvelles dramaturgies in: Ciret, Jan/Guy, Jean-Michel/Gachet, Laurent (Hg.) (1999): Le Cirque au-delà du cercle, Sonderausgabe Nr. 20, Paris: Art Press, Martinez; Ariane (2002): La dramaturgie du cirque contemporain français: quelques pistes théâtrales. In: L’Annuaire théâtral: revue québécoise d’études théâtrales, Nr. 32, S.12-21. URL: https://www.erudit.org/fr/revues/annuaire/2002-n32-annuaire3678/041501ar; Carrara, Guy (2006): L'écriture au Cirque: une approche. In: Arts de la piste, Nr. 37/38, S. 75; Goudard, Phillipe (Hg.) (2010): Le cirque en toutes lettres. In: Stradda, Nr. 15, S. 6-19; Ders. (2006): Les notations: l'art de la composition. In: Arts de la piste, Nr. 37/38, S. 68; Floch, Yohann (2008): Ecrire pour le cirque. In: Stradda, Nr. 9, S. 33-35.
(10) Dort, Bernard (1986): L’Etat d’esprit dramaturgique. In: Théâtre/Public, Nr. 67, S. 10.
(11) Siehe auch Martinez, Ariane (2002): La dramaturgie du cirque contemporain français: quelques pistes théâtrales. In: L'Annuaire théâtral: revue québécoise d’études théâtrales, Nr. 32, S. 12-21.
(12) „Die dramaturgische Reflexion findet (bewusst oder unbewusst) in allen Phasen einer Produktion statt. Es ist unmöglich, sie auf ein Element oder einen Akt zu reduzieren. Es ist nicht möglich, das Theater auf einen bestimmten dramaturgischen Bereich zu beschränken. Ich würde im Übrigen auch eher von einer dramaturgischen Geisteshaltung als von dramaturgischer Arbeit sprechen. Damit meine ich eine spezifische Aufmerksamkeit für die Modalitäten des Übergangs vom Text auf die Bühne, eine Reflexion über seine Potenziale.“ (Dort 1986, S. 8.)
(13) Barba, Eugenio (2008): Actions au travail. In: Ders./Savarese, Nicola (Hg.): L’Énergie qui danse. Montpellier: L’Entretemps, S. 54.
(14) „Lo theatral (el espectaculo/el publico), la actuation (que implica al actor y al espectator en cuanto individuos) y el drama (es decir, la accion que construye el discurso).“ Sanchez, José A. (2011): Dramaturgia en el campo expandido. In: Bellisco, Manuel/Cifuentes, María José/Écija, Amparo (Hg.): Repensar la dramaturgia. Errancia y transformación/Rethinking dramaturgy. Errancy and transformation, Murcia: CENDEAC, S. 19.
(15) Sophie Deschamps wies darauf hin, dass durch die Richtlinien zum Schutz des geistigen Eigentums aus Zirkuskünstler*innen seit den 1980er Jahren ein völlig neuer Autor*innentyp entstanden sei.
(16) Der Zirkushistoriker Pascal Jacob erinnerte bei seinem Einführungsvortrag daran, dass „der Zirkus ein unmittelbares Verlangen nach Anerkennung besitzt. Seit seiner Entstehung wird der Zirkus zum Schweigen gezwungen. Es sind die Körper, die als Hauptmedium dienen.“
(17) Der Begriff „Patrimonialisierung“ wird gegenwärtig so inflationär und zum Teil so missbräuchlich verwendet, dass unklar ist, was er eigentlich bedeutet. Im vorliegenden Text verstehe ich darunter konkrete und symbolische Prozesse der Identifikation, Distinktion, Konservierung und Valorisierung zirzensicher Kunstformen materieller wie auch immaterieller Art.
(18) Paul Ricœur äußerte sich in seinem Werk Gedächtnis, Geschichte, Vergessen „beunruhigt über das von einem Zuviel an Gedächtnis hier und einem Zuviel an Vergessen dort veranstaltet, ganz zu schweigen vom Einfluss der verschiedenen Formen des Gedenkens sowie des Missbrauchs des Gedächtnisses - und des Vergessens.“ Ricœur, Paul (2004): Gedächtnis, Geschichte, Vergessen, München: Fink, S. 15.
(19) Thomas, Jérôme (2011): Les arts en perte de grammaire et de repères. URL: http://www.ca.blog.sacd.fr/index.php/2011/09/13/les-arts-en-perte-de-grammaire-et-de-reperes/.
(20) Benjamin, Walter (1980): Das Passagen-Werk. In: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. V, Frankfurt/M: Suhrkamp, S. 560.
(21) Ders. (1977): Kleine Geschichte der Photographie. In: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. II, Frankfurt/M: Suhrkamp, S. 378.
(22) Siehe ders. (2010): Über den Begriff der Geschichte. Werke und Nachlass – Kritische Gesamtausgaben, Bd. 19. Hrsg. von Gérard Raulet. Berlin: Suhrkamp. S. 30-43.
(23) Andrade, Raquel de/Carrara, Guy (2010): Points de vue sur la notion de répertoire dans les arts du cirque. In: Pièce (dé)montée, Nr. 117, „In Vitro 09“, S. 16. URL: http://crdp.ac-paris.fr/piece-demontee/pdf/in-vitro-09_total.pdf. Die Mitglieder der Kompanie Archaos legen auch bei der Ausbildung großen Wert auf das Schreiben und die Dramaturgie. So fand zwischen dem 5. und 9. Dezember 2011 am Centre de Recherche Européen des Arts du Cirque (CREAC) in Marseille eine von Raquel Rache de Andrade und Guy Carrara geleitete „Einführung ins dramaturgische Schreiben im Bereich der Zirkuskünste“ statt.
(24) Ebd.
(25) In diesem Zusammenhang sei nebenbei auf die bei Entretemps erschienene Reihe Scénogramme verwiesen, die ihr Koordinator Christophe Bara mit folgenden Worten präsentiert: „Die Idee des Repertoires beschränkt sich folglich nicht auf den (dramatischen) Text, sondern betrifft alles, was mit einer Inszenierung zu tun hat: szenische Umsetzungen, Adaptationen, Partituren, Stoffe, Notationen, Regienanweisungen, Spielhinweise usw. Diese Materialien dienen nicht allein der Neuinterpretation von Texten oder Stücken und der Verewigung zumeist flüchtiger Schriften: Sie zeigen auch kompositorische Fragen auf, erkunden die vorgängigen Inspirationen und Vorstellungswelten mancher Inszenierungen, veranschaulichen Kreationstechniken und enthüllen die einzigartigen Ansätze von Künstler*innen und Autor*innen.“
(26) Barba, Eugenio (2008): Actions au travail, S. 54.
(27) Simonot, Michel (2001): De l'Ecriture à la scène, des écritures contemporaines aux lieux de représentations, coll. „entre-vues“, Sonderausgabe Nr. 1, Theater Dijon/Bourgogne: Frictions.
(28) Diesen Begriff nutzt im Übrigen auch Philippe Goudard in seinem Artikel Les notations: l’art de la composition (Les Arts de la Piste, Nr. 37/38, S. 68). Wenngleich die Arbeit der Notation ein „Schreiben“ impliziert, so scheint ihm das „Komponieren“ dennoch geeigneter, um die Herausforderungen zu beschreiben, die Künstler*innen in der Auseinandersetzung mit und in der Gestaltung von Materie erleben.
(29) Moreigne, Marc (1999): Écritures de la rue ou Écritures pour la rue. In: Rue de la folie, Nr. 6, S. 19-21.
(30) Carrara, Guy (2006): L'écriture au Cirque: une approche, S. 75.
(31) Es gibt zahlreiche Disziplinen, in denen mit Notationssystemen gearbeitet werden kann. Zur Vertiefung siehe Goudard, Philippe (2006): Les notations: l’art de la composition. In: Les Arts de la Piste, Nr. 37/38, S. 68.
(32) Martinez, Ariane (2002): La dramaturgie du cirque contemporain français: quelques pistes théâtrales, S. 13.
(33) Siehe zu diesem Thema auch Philippe Goudard (2010) in Le Cirque entre l'élan et la chute: une esthétique du risque (Saint-Gély-du-Fesc: Espace 34). Darin erweitert der Autor das Thema „Risiko“ auf die Bedingungen des Ungleichgewichts und die gefährlichen Kunststücke auf die wirtschaftliche und berufliche Prekarität von Künstler*innen. Siehe auch Ders. (2006): Cirque = risque, en un le tout. In: Les Arts de la Piste, Nr. 37/38, Paris: Hors Les Murs, S. 5.
(34) Guillerm, Johann Le (2011): Mécaniques, systèmes, objets, matières. Im Gespräch mit Anne Quentin. URL: https://www.territoiresdecirque.com/ressources/publications/dossiers-thematiques/l-agres-entre-apprivoisement-et-depassement/entretien-avec-johann-le-guillerm.
(35) Ebd.
(36) Bolze, Mathurin (2010): Note d’intention – Propos. Begleitheft des Stückes Du Goudron et Des Plumes. Online abrufbar unter: http://www.mpta.fr/index.php?page=5&spectacle=17. Das Stück wurde außerdem in der Zeitung Le Monde besprochen: Boisseau, Rosita (2010): Le virtuose Mathurin Bolze fait son cirque avec des objets. Le Monde vom 20. April 2010. URL: https://www.lemonde.fr/culture/article/2010/04/19/le-virtuose-mathurin-bolze-fait-son-cirque-avec-des-objets_1338544_3246.html. Für weiterführende Informationen siehe auch das Gespräch mit Mathurin Bolze auf der Plattform von Ina aus der Reihe der Grands entretiens: https://entretiens.ina.fr/en-scenes/Bolze/mathurin-bolze/sommaire.
(37) Dubuffet, Georges (1973): L’Homme du commun à l’ouvrage, coll. „Folio Essais“, Paris: Gallimard, S. 26-27.
(38) Laughlin, Robert (2007): Les lois physiques ressemblent à un tableau impressionniste. In: La Recherche, Nr. 405, S. 38.
(39) Anmerkung der Herausgeber*innen: Als Beispiel für die „Dramaturgie der kompositorischen Verflechtung“ nennt die Autorin die Inszenierung Human (articulations) (2006) von Christophe Huysman. Das Stück wurde 2019 unter dem Titel Human (articulations II) mit Studierenden vom CNAC wiederaufgenommen. Siehe auch: Huysman, Christophe (2006): Pièces de Cirque – Human (articulations) suivi de Espèce. Besançon: Éditions les Solitaires intempestifs. Fasoli, Gérard (2007): Cirque (2) (scénographies de) und Interprétation (2). In: Abécédaire des hommes penchés, von Julie Sermon. URL: http://www.leshommespenches.com/abecedaire/.
(40) Deleuze, Gilles/ Guattari, Felix (2002): Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin: Merve, S. 659.
(41) Ebd.
(42) Ebd., S. 663.
(43) Ebd., S. 659.
(44) Ebd., S. 663.
(45) Michaux, Henri (1999): Ein gewisses Phänomen namens Musik. In: Ders.: Passagen, Graz/Wien: Droschl, S. 122.
Letzter Aufruf der Onlinequellen am 25.03.2021